Gestern ging ich in die neue Buchhandlung Ocelot an der Philipp Schaeffer Bibliothek in Berlin Mitte und gleich am Anfang fand ich den Beweis (für was?).
„Hauptstadt und Provinz“ hing als Themenschild über dem ersten Bücherregal und präsentierte einige Berliner Lyriker, Schriftsteller und Krimiautoren. Darüber hinaus standen Bildbände und außergewöhnliche Reiseführer bereit. Ich überflog die Titel und dachte sofort: Das ist Urbane Lyrik!
Urbane Lyrik
Aus dem Cafe Größenwahn
Die vielen Gesichter der Nofretete
Für hier oder zum Mitnehmen
Spazieren in Berlin
Backstage Berlin
Heimliches Berlin
Der Klang der Familie
Kiez für Kiez
Deutschland verstehen
Der Club der Polnischen Versager
Das Lied vom Hackeschen Markt
Grenz- und Geisterbahnhöfe
111 Orte in Berlin die man gesehen haben muss
Geisterstadt
Anonyme Mitte
Berlin, Techno und die Wende
Berliner Kirchen und ihre Hüter
Berliner Wohnquartiere
Berlin in 3 Tagen
Berlin in 5 Tagen
Berlin in 8 Tagen
Berliner Atlas Paradoxaler Mobilität
Der Bessere Berliner
Berlin aus der Luft fotografiert
Street Art in Berlin
Joseph Roth in Berlin
Denkmale in Berlin
Südstern
Hurengespräche
Jüdisches im Grünen
Die Besten Radtouren rund um Berlin
Berlin ist zu groß für Berlin
Berlin
Die Grenze
Die Mauer
Berlin Stadtführer für Kinder
Berlin Ecke Greifswalder
Berlin Ecke Schönhauser
Berlin gibt immer den Ton an
Berlin
Bleierne Stadt
Selve made city
Forgotten Friends
Strawberry Fields
The big Design Guide
Fontanes Berlin
Kafka in Berlin
Literarisches Berlin
Hotel Adlon
Alexander Platz
Brunnenstrasse 181
Im alten Berliner Studentenviertel
Berliner Brücken
Berliner
Arbeiterbewegung in Berlin
Ganz Berlin in 7 Tagen
Mein Berlin
Die Museen in Berlin
Architektur in Berlin
Tiere in Berlin
…
An dieser Stelle bekam ich einen Berlin Flash und musste das Ocelot schnell verlassen. Nach einer kleinen Erfrischung im Nolas kehrte ich zurück in die Buchhandlung. Eigentlich bot das Ocelot auch Erfrischungsgetränke an, ich hätte also ruhig dort entspannen können, aber der kleine Spaziergang war nötig, denn beim Laufen schüttelten sich meine Gedanken wieder ins richtige Format.
Nach dieser Belüftungsaktion stand ich wieder vor den elegant geschwungenen Regalen und wusste was ich zuvor wollte. Ich suchte nach einem Autor und seiner ersten Deutschen Übersetzung, nach dem Norweger Tomas Espedal. Der Roman erschien bei Matthes & Seitz Berlin. Ich überflog die Lyrik und Prosaecke der exklusiven Neuerscheinungen und schon nach kurzer Zeit hielt ich den Roman in den Händen: „Gehen“ oder die Kunst, ein wildes und poetisches Leben zu führen“.
Ich las den Klappentext
„Ein Mann verlässt seine Frau, sein Kind, sein Haus. Er beschließt zu gehen, das Leben eines Landstreichers zu führen, und macht sich auf den Weg, der ihn zu sich selbst bringen soll. Er scheitert, trinkt, beginnt von Neuem. Den Leser nimmt er mit auf diese delirierenden, existenziellen und besessenen Reisen zu Fuß von Norwegen durch Deutschland nach Frankreich, nach Griechenland, durch ein Europa der Kunst, der Mythen, der Städte. Bestimmt vom Rhythmus harten Gehens, von der Dunkelheit der Trunkenheit und der vollständigen physischen Erschöpfung, tritt er in Dialog mit Rousseau, Rimbaud, Satie, Giacometti, Heidegger und erlebt ein Abenteuer des Denkens: Mit nichts als sich selbst, ganz auf sich zurückgeworfen, was bleibt, wer ist man?“
Ich erinnerte mich an den Text der Webseite des Verlags:
„Gehen, um zu verstehen – von der norwegischen Öffentlichkeit begeistert aufgenommen, ist Gehen ein hochkonzentrierter Text zwischen Roman, Essay und Reportage, den Paul Berf präzise und rhythmisch ins Deutsche übertragen hat.“
Als ich zu Hause ankam legte ich das Buch nicht mehr aus den Händen. Ich begriff wie Lyrik zu Prosa wurde. Nach und nach fand ich meine eigenen Worte wieder, fand meine Lyrik vermischt mit Prosa und dem Essay, fand in Tomas Espedal ein vorbildliches, zwischen den Medien kreisendes und im Zusammenhang auslotendes Autorengeheimnis. So erkannte ich ein Ereignis in Zwischenräumen, einen Schriftsteller der zwischen den Stühlen leben wollte, weil es ein sehr intensives Leben zwischen den Stühlen gab, und zwar das Wahre das sich selbst Verzehrende.
© Anna Staffel Berlin